«Kleptopia» entblösst globalen Finanzdschungel

 «Kleptopia» entblösst globalen Finanzdschungel


Ein packend erzähltes Recherchebuch zeigt die globale Macht schmutzigen Geldes. Mittendrin: Eine Schweizer Bank.


Das Ende des Kalten Krieges brachte bekanntlich nicht das Ende der Geschichte, das der US-amerikanische Erfolgsautor Francis Fukuyama der Welt verheissen hatte. Doch es brachte hervor, was der britische Journalist der Financial Times und Erfolgsautor Tom Burgis in seinem neu auf Deutsch erschienenen Buch «Kleptopia» nennt. Denn: «Das Ende des Kalten Krieges hatte beispiellose Möglichkeiten geschaffen, sich in den Besitz des Vermögens ganzer Länder zu bringen. Von Budapest bis Beijing, von Almaty bis Abuja gab es in den 1990er Jahren einen heftigen Konkurrenzkampf hierum. Die nächste Aufgabe bestand dann darin, diesen gestohlenen Reichtum im Westen in Sicherheit zu bringen.»


Drehscheibe City of London


Das ist auch passiert. Die zu Geld gemachten Reichtümer wurden über den Gang an die Londoner Börse in den Westen exportiert – in das Finanzzentrum, das als grosse globale Drehscheibe funktioniert. Die City ist für Burgis die Hauptschlagader des Systems, wo mehr Geld als irgendwo sonst auf magische Weise transformiert und gewaschen wird. Mit schmutzigem Geld von korrupten Mächten könne dort alles gekauft werden – Lobbyisten, Häuser und auch die Beraterdienste des früheren Staatsmannes Tony Blair. Und über London hinaus sind mit dabei die vielen zumeist kleinen Offshore-Zentren unweit und fern von London.


Damit verbunden sieht Burgis den zweiten Zweck von Kleptopia: «Der Prozess, durch den man Macht in Geld verwandelt hatte, sollte nun Geld wieder in Macht verwandeln», wodurch eine weltweite Kleptokratie entstanden sei.


Weltweit und zugleich prominent besetzt ist die Gilde der Kleptokraten, die der Erfolgsautor Burgis im Polit-Thriller auftreten lässt: Donald Trump zählt er ebenso dazu wie auch Vladimir Putin und Xi Jinping – wenn auch meist über namentlich bekannte und weniger bekannte Mittelsmänner vertreten. Neben dem früheren britischen Premier Tony Blair auch den früheren französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, oder in Afrika den früheren zimbabwischen Langzeit-Herrscher Robert Mugabe und Joseph Kabila, den früheren Präsidenten der Demokratischen Republik Kongo und viele andere weniger bekannte Personen, die es für das Funktionieren der Geldmaschinerie braucht.


Im Zentrum der aufwändigen und bis in letzte Details akribisch durchgeführten «Kleptopia»-Recherche(*) steht der Langzeitherrscher Kasachstans, Nursultan Nasarbajew. Er trat zwar 2019 nach fast 30 Jahren als Präsident des Landes ab. Als Vorsitzender der Partei Nur Otan, Chef des Sicherheitsrats und «Führer der Nation» hält er aber weiterhin die Fäden der Macht in seinen Händen.


Anhand des kasachischen Rohstoffkonzerns ENRC schildert Burgis, wie das funktioniert. Die Chefs des Konzerns sind ein dubioses Trio von Nasarbajews Gnaden. Aus der Hauptstadt Nur-Sultan ging ihr Unternehmen 2008 an die Londoner Börse. Dadurch ist ihr Geld plötzlich sauber und beginnt zu arbeiten. Von London aus fliesst es in Steueroasen und auch in Immobilien in den USA oder für Geschäfte im Zusammenhang mit Wahlen nach Zimbabwe. Und damit das funktioniert, müssen immer wieder mal Leute aus dem Weg geschafft werden – wie ehemalige Parteigänger, die sich politisch absetzen und deshalb verfolgt, bedroht oder gefangen genommen werden.


Mit dabei: Die Banca della Svizzera Italiana BSI


Über die Banca della Svizzera Italiana BSI spielt auch die Schweiz eine unrühmlich prominente Rolle. Bei ihr arbeitete ein gewisser Nigel Wilkins. Er war Chef der Compliance, sollte also darauf achten, dass alles ordnungsgemäss abgewickelt wird.  Später war er Mitarbeiter der Finanzaufsichtsbehörde der City of London. Nigel Wilkins ist der Held der Geschichte. Er wollte die Banken zwingen, sich an die Regeln zu halten, wurde aber daran gehindert das zu tun. Er wurde gefeuert statt gefeiert, weil er als «unfähig zum erforderlichen Respekt für die Vertraulichkeit von Informationen» angesehen wurde. Doch Wilkins hatte der BSI tausend Seiten Dokumente mit Korrespondenz, Verträgen und Kundenlisten entrissen, die den Stoff lieferten für die Geschichte, welche die Wirklichkeit als verrückter als jede Fiktion erscheinen lässt.


«Wie so viele der Abermilliarden Dollar, die die Banker der BSI im Lauf von 144 Jahren transferiert hatten, verschwand am Ende auch die Bank selbst.» Sie wurde ertappt, dass sie Amerikanern bei der Steuerhinterziehung geholfen hatte, dann dabei, wie sie Malaysiern geholfen hatte, die Staatskasse ihres Landes zu plündern.»


Das sei selbst den Schweizer Aufsichtsbehörden zu viel gewesen, kommentiert Burgis. Sie verfügte den Verkauf der Bank an die Privatbankengruppe EFG unter der Bedingung, dass die BSI in ihr aufging und ihr Name gelöscht wird. Doch das war erst neun Jahre später, nachdem ihr Compliance Chef Wilkins die Behörden der City of London über das Treiben der BSI-Banker ins Bild gesetzt hatte. Also verging ausreichend Zeit – so Burgis – um geheime Gelder andernorts verschwinden zu lassen.


So unbezwingbar, wie Burgis in «Kleptopia» die neue Macht der Kleptokraten erscheinen lässt, will er sie trotzdem nicht verstehen. Er setzt und hofft auf Ehrlichkeit, Transparenz, Aufdecken. Das mag illusorisch klingen. Immerhin gibt es die Papers zu «Pandora», «Panama», «Paradise» und Leaks zu den Bahamas und zu Luxemburg, die weltweit Schlagzeilen machten. Die Verschleierung und Vernebelung von Steuerhinterziehung, Geldwäscherei, Korruption, Gewinnverschiebungen in Steueroasen wird aufgedeckt – und zeitigt Folgen. Staatschefs wurden belangt und zu Fall gebracht. Ermittlungen erbrachten beträchtliche Steuern und Strafzahlungen. Und wie der Tagesanzeiger (12.11.2021) unter dem Titel «Folgen der Finanz-Datenlecks» soeben berichtet hat, nahmen in der Schweiz die Geldwäscherei-Verdachtsmeldungen seither sprunghaft zu und führten zu einer Vervielfachung den Strafverfahren.


(*) Zur Recherche schreibt der Autor im Eingangs-Kapitel «Eine Anmerkung zur Wahrheit»: «Allen hier vorkommenden Personen wurde vor der Veröffentlichung dieses Buches die Möglichkeit gegeben, die in ihm dargelegten Fakten zu überprüfen.» Nicht wenige antworteten nicht oder behaupteten, die Darstellung enthalte Irrtümer, allerdings ohne zu sagen, was nicht zutreffe. Wer wie reagiert oder nicht reagiert hat, ist im mehr als 70 Seiten langen Kapitel «Anmerkungen» nachzulesen.  


Markus Mugglin / 16.11.2021


🇬🇧 «Kleptopia» exposes the global financial jungle


 A gripping research book shows the global power of dirty money.  Right in the middle: a Swiss bank.


 As is well known, the end of the Cold War did not bring the end of the story that the American successful author Francis Fukuyama had promised the world.  But it produced what the British Financial Times journalist and successful author Tom Burgis calls "Kleptopia" in his new book, published in German.  Because: “The end of the Cold War had created unprecedented opportunities to gain possession of entire countries' assets.  From Budapest to Beijing, from Almaty to Abuja, there was fierce competition for this in the 1990s.  The next task then was to bring this stolen wealth to safety in the West. "


 City of London hub


 That happened too.  The fortunes made into money were exported to the West via the London Stock Exchange - to the financial center, which functions as a large global hub.  For Burgis, the city is the main artery of the system, where more money than anywhere else is magically transformed and laundered.  With dirty money from corrupt powers everything can be bought there - lobbyists, houses and also the advisory services of the former statesman Tony Blair.  And beyond London, there are also the many mostly small offshore centers not far and away from London.


 Connected to this, Burgis sees the second purpose of Kleptopia: "The process by which one had converted power into money should now turn money back into power", whereby a worldwide kleptocracy emerged.


 The guild of kleptocrats, which the successful author Burgis lets appear in the political thriller, is world-wide and at the same time prominent: he counts Donald Trump as well as Vladimir Putin and Xi Jinping - although mostly represented by well-known and less well-known middlemen.  In addition to the former British Prime Minister Tony Blair also the former French President Nicolas Sarkozy, or in Africa the former long-term Zimbabwean rulers Robert Mugabe and Joseph Kabila, the former President of the Democratic Republic of the Congo and many other lesser-known people who made it work for the  Money machine needs.


 The long-term ruler of Kazakhstan, Nursultan Nazarbayev, is at the center of the lavish and meticulous «Kleptopia» research (*).  He resigned as president of the country in 2019 after almost 30 years.  As chairman of the Nur Otan party, head of the Security Council and “leader of the nation”, he still holds the strings of power in his hands.


 Using the Kazakh raw materials group ENRC, Burgis describes how this works.  The heads of the group are a dubious trio by Nazarbayev's grace.  From the capital Nur-Sultan, her company was listed on the London Stock Exchange in 2008.  As a result, your money is suddenly clean and starts to work.  From London it flows into tax havens and also into real estate in the USA or for business in connection with elections in Zimbabwe.  And for that to work, people have to be got out of the way again and again - like former partisans who break away politically and are therefore persecuted, threatened or captured.


 Also there: The Banca della Svizzera Italiana BSI


 Switzerland also plays an ingloriously prominent role through the Banca della Svizzera Italiana BSI.  A certain Nigel Wilkins worked for her.  He was Head of Compliance, so he should make sure that everything is handled properly.  He later worked for the City of London Financial Regulator.  Nigel Wilkins is the hero of the story.  He wanted to force the banks to obey the rules, but was prevented from doing so.  He was fired instead of hailed for being seen as "incapable of the necessary respect for the confidentiality of information".  But Wilkins had wrested a thousand pages of correspondence, contracts and customer lists from the BSI that provided the material for the story that makes reality appear crazier than any fiction.


 "Like so many of the billions of dollars that the bankers had transferred to the BSI over the course of 144 years, the bank itself also disappeared in the end."  She was caught helping Americans evade taxes, then helping Malaysians ransack their country's treasury. "


 That was too much even for the Swiss supervisory authorities, comments Burgis.  It ordered the sale of the bank to the private banking group EFG on the condition that the BSI was incorporated into it and its name was deleted.  But that was only nine years later, after Wilkins, Head of Compliance, had informed the City of London authorities about the activities of the BSI bankers.  So enough time passed - so Burgis - to make secret funds disappear elsewhere.


 As invincible as Burgis makes the new power of the kleptocrats appear in «Kleptopia», he still does not want to understand it.  He relies and hopes for honesty, transparency, disclosure.  That may sound like an illusion.  After all, there are the papers on “Pandora”, “Panama”, “Paradise” and leaks on the Bahamas and Luxembourg, which made headlines around the world.  The concealment and disguise of tax evasion, money laundering, corruption and profit shifting in tax havens is exposed - and has consequences.  Heads of state were prosecuted and brought down.  Investigations resulted in substantial taxes and fines.  And as the Tagesanzeiger (November 12, 2021) has just reported under the title “Consequences of financial data leaks”, money laundering suspicions have skyrocketed in Switzerland since then, leading to a multiplication of criminal proceedings.


 (*) For the research, the author writes in the opening chapter "A note on the truth": "Before the publication of this book, all persons who appear here were given the opportunity to check the facts presented in it."  Quite a few did not answer or claimed that the presentation contained errors, but without saying what was not true.  Who reacted or did not react can be found in the more than 70-page long section “Comments”.


 Markus Mugglin / November 16, 2021

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