Machtelite hält dicht

Machtelite hält dicht

Bilderberg-Treffen in Spanien: Die Linke stellt Bundesregierung Fragen zur Geheimkonferenz. SPD-Politiker Olaf Scholz unterwirft sich Schweigepakt


Von Marcus Klöckner *


Das Hotel ist wieder für normale Touristen zugängig, die Straßensperren sind verschwunden, und auch die Polizeikräfte können sich wieder um das gewöhnliche Verbrechen kümmern. Am vergangenen Sonntag endete das diesjährige Bilderberg-Treffen. Es waren die Weltenlenker und Finanzfürsten, die zusammen mit anderen einflußreichen Persönlichkeiten im spanischen Städtchen Sitges, gut 40 Kilometer von Barcelona entfernt, zu einer Geheimkonferenz zusammenkamen. Unter schwerer Bewachung nahm die Tagung vom 3. bis 6. Juni ihren Lauf, doch worüber sich beispielsweise der deutsche Sozial­demokrat Olaf Scholz mit dem US-Bankier David Rockefeller und dem griechischen Finanzminister George Papaconstantinou austauschte, das bleibt für die Öffentlichkeit ein Geheimnis. Die gut 130 handverlesenen Teilnehmer der diesjährigen Bilderberg-Konferenz (siehe Spalte rechts) haben, genauso wie die in den mehr als 50 Jahren zuvor, einen Schweigepakt akzeptiert. Was bei der Zusammenkunft besprochen wird, soll nicht nach außen dringen.


Die Öffentlichkeit kann nur erahnen, daß demokratisch gewählte Politiker mit der globalen Geldelite nicht zusammenkommen, um über das schöne Wetter oder ihr Handicap beim Golf zu reden. Eine Aussage des Ehrenvorsitzenden der Bilderberger selbst, Etienne Davignon, in der Internetzeitung EU-Observer gewährte jüngst einen kleinen Einblick in die Gestaltungsmacht des Zirkels. Davignon sagte, der Euro sei auf Bilderberg zurückzuführen (euobserver.com/9/27778). Eine Aussage, die nahtlos an die Äußerung eines ehemaligen US-amerikanischen Botschafters in Berlin anknüpft. In seinen Memoiren schrieb John McGhee, daß Bilderberg bei der Mitgestaltung der Römischen Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) eine wichtige Rolle zukam: »Die Römischen Verträge (...), die den gemeinsamen Markt hervorbrachten, wurden von Bilderberg wesentlich mitbestimmt.« Bekannt ist ferner, daß auch die Trilaterale Kommission, eine Denkfabrik, deren Aufgabe es ist, die Wirtschaftsräume der USA, der EU und Japans enger zusammenzuführen, aus einer Bilderberg-Idee hervorgegangen ist.


Die spärliche offizielle Außendarstellung, die es von der Gruppe selbst gibt und die seit neuestem auch auf einer eigenen Webseite zu finden ist, besagt schlicht, daß »keine Abstimmungen« während des Treffens erfolgen und auch »keine Beschlüsse« gefaßt werden.


Wenn das die Wahrheit ist, wie können dann große Projekte, wie beispielsweise der Euro, aus einer Bilderberg-Konferenz hervorgehen? Die Antwort ist: Bilderberg ist kein ausführendes Organ, Bilderberg ist keine »geheime Weltregierung«. Bilderberg ist viel mehr eine Ideen- und Konsensschmiede. Die Hochkarätigkeit der Teilnehmer -- will heißen: ihre Verflechtung mit sozialem und ökonomischem Kapital -- erlaubt es aber, bei den Konferenzen entstandene Ideen und Konsense über eine Vielzahl von Kommunikationswegen und Verknüpfungspunkten zu den Stellen zu leiten, an denen dann tatsächlich Entscheidungen getroffen werden. Bilderberg verweist auf einen Formationsprozeß der Machtelite außerhalb der demokratischen Institutionen.


Der Münsteraner Soziologieprofessor Hans Jürgen Krysmanski akzeptiert zwar, daß auch in einer Demokratie mal im »privaten« gesprochen werden muß, aber gleichzeitig fordert er von den teilnehmenden Politikern mehr Reflexion: »Sie sollten sich fragen, warum hat man gerade mich ausgewählt und eingeladen, wer sind eigentlich diejenigen, die solche Meetings organisieren, woher kommen die Themen und Tagesordnungen? Und vor allem: wem dienen die diskutierten und angebotenen Lösungen?«


Die Vorsitzende der Partei Die Linke, Gesine Lötzsch, sieht ein erhebliches Demokratiedefizit. Gegenüber junge Welt sagte sie: »Es darf in Europa keine demokratiefreien Räume geben.« Insbesondere wegen des mitunter rabiaten Vorgehens der Sicherheitskräfte gegenüber Pressevertretern stellte die Bundestagsabgeordnete Anfragen zu Bilderberg: »Welche Mitglieder der Bundesregierung oder Vertreter der Bundesregierung nehmen an der Bilderberg-Konferenz in Spanien teil, und fließen deutsche Steuergelder in die Vorbereitung und Durchführung dieser Geheimkonferenz? Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, daß die Öffentlichkeit von dieser Konferenz ausgeschlossen ist und daß Journalisten, die Aufnahmen von Besuchern machen wollen, zum Löschen der Bilder aufgefordert werden, und wenn sie sich weigern, mit 32 Stunden Arrest bedroht werden ...«


Ungeachtet der mitunter heiklen Lage für Journalisten verfolgten auch in diesem Jahr wieder alternative Berichterstatter die Konferenz: als Zaungäste. Es waren Internetblogger, die ihre Leser mit direkten Informationen und Fotos von der Konferenz versorgten, während ein großer Teil der Mainstreammedien über das Elitetreffen nicht oder nur sehr halbherzig berichtete. Doch immerhin war es das erste Mal überhaupt, daß Teile der sogenannten Leitmedien, wie Spiegel und Bild, das Bilderberg-Treffen erwähnten (siehe unten).


* Aus: junge Welt, 11. Juni 2010

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